Wenn der Westen der Ukraine nicht hilft, wird China das tun

Von Alexei Bayer, The Moscow Times
31.08.2014
Übersetzt von Euromaidan Press auf Deutsch und editiert von Voices of Ukraine

Jetzt wird es immer deutlicher, dass der Westen keinen Mumm hat für einen Krieg mit Russland wegen der Ukraine, denn die Ukraine muss die westlichen Politiker und ihre Wähler ständig daran erinnern, dass es die Verweigerung der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union durch den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch war, was die Ukrainer im November 2013 aus Protest dagegen auf die Straßen brachte.

Die Ukrainer lehnten die oligarchische Kleptokratie ab, unter der sie wie Russland seit 23 Jahren lebten. Die Ukrainer wollen freie Wahlen, Menschenrechte und Transparenz, etwas, was es in Russland nicht gibt. Die Ukrainer sind Europäer, und sie wollten in Europa leben, nicht in der postsowjetischen Hölle.

Die Ukrainer haben mit Blut für ihre demokratische, pro-westliche Wahl bezahlt, als die Euromaidan-Bewegung immer gewalttätiger wurde. Seit damals sieht sich die Ukraine wegen der versuchten Annäherung an Europa Angriffen von Russland ausgesetzt.

Die Ukrainer haben das Recht darauf, die volle Unterstützung aus dem Westen zu fordern, während sie sich der russischen Aggression erwehren müssen. Die USA haben sich immer als Verteidiger des Völkerrechts positioniert. Im Fall der Ukraine ist es jetzt aber Zeit für Washington, sein Geld da einzusetzen, wo es am nötigsten ist.

Im Fall der Ukraine ist die Unterstützung durch die europäischen Nachbarn noch berechtigter. Das vereinte Europa gehört nicht der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Europäischen Kommission oder dem Europäischen Parlament. Es ist eine Idee eines offenen, demokratischen Kontinents, in dem Nationen in Frieden leben und nach Wohlstand streben.

Die Idee der europäischen Integration gehört allen Europäern, und niemand kann aus ihr ausgeschlossen werden. Aber das Prinzip eines vereinten Europa ist gefährdet, wenn Brüssel es versäumt, der Ukraine gegen die Aggression beizustehen.

Es gibt immer noch eine Möglichkeit, dass der derzeitige ukrainische Präsident Petro Poroschenko in seinem engem Kontakt mit Merkel und US-Präsident Barack Obama eine geheime Strategie hat, warum die Ukraine die russische Beteiligung an der separatistischen Kampagne im Osten erdulden muss. Leider gibt es aber keinerlei Anzeichen für eine solche Strategie.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Washington durch die Rückschläge im Nahen Osten und die Streitereien über die Innenpolitik geschwächt ist, während Europa hat keinen Mumm für eine Konfrontation mit Russland hat, vor allem angesichts der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen.

Die Ukraine wird wahrscheinlich alleine gelassen werden, sie muss sich Russland alleine entgegenstellen, mit ihrem trutzigen Geist und Waffen aus der Sowjetzeit. Soweit es die USA und Europa angeht: Wenn Putin die Ukraine niederzwingt und zerstückelt, dann soll es wohl so sein. Wenn sie überlebt, wird sie keine andere Wahl haben, als der EU beizutreten.

Das einzige Problem mit der Haltung des Westens ist die Tatsache, dass Wahl der Ukraine sich nicht mehr beschränkt auf den Westen oder Russland. Es gibt auch noch China, das allmählich in die internationale Arena aufsteigt. China hat in Russlands ehemaligen Hinterhof in Zentralasien seinen Einfluss ausgebaut und könnte als Gegenspieler in den ukrainischen Konflikt eingreifen.

Die wirtschaftliche Präsenz Chinas in der Ukraine ist bereits wachsend. Der ukrainische Automobilmarkt, wenngleich immer noch klein, wird von den chinesischen Autoherstellern als mögliche Basis für eine spätere globale Expansion angesehen. Die Ukraine hat viele Bodenschätze sowie große landwirtschaftliche Nutzflächen und könnte ein wichtiger Lieferant für China werden.

Darüber hinaus ist die Ukraine von entscheidender strategischer Bedeutung. Ohne die Ukraine hat Russland kein Imperium, weshalb Putin so beharrlich dafür kämpft. China, das territoriale Ansprüche auf Ostsibirien hat, würde sich freuen, Russland in einen kräftezehrenden militärischen Konflikt verstrickt zu sehen.

Wenn die Ukraine militärisch zu bröckeln beginnt, sollten wir nicht überrascht sein, wenn Peking beginnt, sie mit Kriegsmaterial zu versorgen. Das könnte der Ukraine beim Überleben helfen, aber was das für die EU und die USA heißt, ist eine andere Sache.

Alexei Bayer, ein gebürtiger Moskauer und lebt in New York. Sein Kriminalroman “Mord auf der Datscha” wurde von Russian Life Books im Jahr 2013 veröffentlicht.

Quelle: The Moscow Times

 

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2 Responses to Wenn der Westen der Ukraine nicht hilft, wird China das tun

  1. purzl says:

    Reblogged this on Vault and commented:
    Think about

  2. justice says:

    Weshalb sollten Waffenlieferungen an die Ukraine unter der Bedingung nicht möglich sein, diese Waffen nur zu Zwecken der Verteidigung gegen pro-russische Terroristen und russisches Militär einzusetzen? Selbstverständlich wäre das sehr blamabel für die EU und die USA, wenn sich China als Retter in der Not herausstellte. Dem Herkunftsland des Tao Te King wäre solch eine Geste der Verbundenheit zuzutrauen, zumal in Anbetracht der riesigen, von China gepachteten Agrarflächen in der Ukraine und der ukrainischen Lieferverbindlichkeiten, stabile bzw. friedliche Verhältnisse auf Jahre hinweg unabdingbar sind. Beide Länder brauchen keinen nervenden Kreml-Chef, wenn sich in China viele Menschen auf ukrainische Agrarerzeugnisse verlassen bzw. diese zum Leben brauchen.

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