Die Journalisten von „Znak Oklyku“ (übersetzt „Ausrufezeichen“) haben mehr über das Schicksal des freiwilligen Arztes Aleksi Tutow herausgefunden, der am 22. Januar von der Sonderpolizei „Berkut“ festgenommen und zusammengeschlagen wurde.
Detaillierte Übersetzung der Sendung
Zu allen Zeiten standen Ärzte während bewaffneter Konflikte unter dem besonderem Schutz sogenannter Genfer Konventionen – Regeln und Gesetze zum Schutz von nicht an den Kampfhandlungen teilnehmenden Personen, die in zwischenstaatlichen Abkommen festgelegt und essentielle Bestandteile des humanitären Völkerrechts sind. Wer diese Regeln missachtet und offensichtlich unbegründet Gewalt gegen Ärzte und Sanitäter anwendet, kann nicht nur nach nationalem, sondern auch nach Völkerrecht zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden.
Wie geschah es, dass während der letzten bewaffneten Konfrontation in Kiew am 22. Januar die Sonderkommandos des Innenministeriums nicht nur die Ärzte in vorderster Front angeschossen haben, nicht nur die Feldlazarette demolierten, sondern die Helfer auch noch festgenommen und zusammengeschlagen haben? „Znak Oklyku“ gelang es, exklusive Videos aufzunehmen. Der Freiwillige des Maidan-Ärztedienstes Aleksi Tutov wurde von den Sondereinheiten harsch festgenommen und, entgegen aller mögliche internationalen Abkommen, zusammengeschlagen und hinter Gitter geworfen.
Über das Schicksal des Mediziners, der er an eigener Haut erleben musste, wie es sich anfühlt, wenn die Flucht nicht gelangt an man in die Klauen des Berkut gerät, berichtet die Journalistn Daryna Tschisch von „Znak Oklyku“.
Auf so einen Sanitätsdienst könnte sogar manch ein Europäer neidisch werden. In drei Monaten haben die Mediziner des Maidan ein ideales Gesundheitssystem geschaffen: Hier muss man kein Schmiergeld zahlen, hier hilft man schnell und selbstlos, und die Patienten sind hundertprozentig mit allen nötigen Medikamenten versorgt. Die Menschen werden in sechs Sanitätsstellen von eineinhalbtausend Spezialisten unterschiedlicher Spezialisierungen behandelt. (Anmerkung des Übersetzers: dieser Zustand ist im Land alles andere als selbstverständlich!)
Einblendung: Eine freiwillige Ärztin sagt: „Uns kauft man nicht, wir verkaufen uns nicht. Wir kommen, um zu helfen.“. Eine andere: „Das machen wir alles wirklich kostenlos, von Herzen.“
Amateurvideo: Ein Sanitäter in orangefarbener Weste ruft den Berkut-Polizisten zu: „Nicht schießen!“, aber offensichtlich schießen sie doch.
Doch ausgerechnet auf die Ärzte hat es der Berkut aus irgendeinem Grund abgesehen.
Einblendung. Sanitäter berichten:
- Auf mich wurde mit einer Schrotflinte gezielt.
- Ich weiß nicht wer auf die Idee kam, den Roten-Kreuz-Helm auf seine die Festigkeit zu prüfen, aber den Schuss in den Kopf habe ich deutlich gespürt.
- Ich habe geschrien: „Ich bin Mediziner, schlagen Sie mich nicht!“
- Ich wurde von Berkut-Kräften zusammengeschlagen.
Ihnen wurde ins Gesicht und in die Beine geschossen. Unbarmherzig demolierte der Berkut das Lazarett, während die Chirurgen versuchten, Leben zu retten.
In der Hruschewski-Straße wurde eine Sanitättsstation demoliert, wo über 20 Mitarbeiter des Maidan-Ärztedienstes anwesend waren.
Einblendung. Sanitäter berichten:
- Sieben Granaten haben sie in die Sanitätsstation auf der Hruschewski-Straße geworfen.
- Die Sanitätsstation war sehr deutlich gekennzeichnet, mit einer großen weißen Fahne mit einem roten Kreuz darauf.
Die ukrainischen Sonderkommandos überschritten wirklich alle Grenzen, die „Regeln, Sitten und Gesetze der Kriegsführung“ genannt werden. Die in der Genfer Konvention festgelegt wurden. Und an die die Militärs aller Länder dieser Welt sich seit 150 Jahren zu halten versuchen.
Artikel 18 des Genfer Abkommens über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten: Zivilspitäler, die zur Pflege von Verwundeten, Kranken, Schwachen und Wöchnerinnen eingerichtet sind, dürfen unter keinen Umständen das Ziel von Angriffen bilden; sie sollen jederzeit von den am Konflikt beteiligten Parteien geschont und geschützt werden.
…
Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen, soweit es die militärischen Erfordernisse gestatten, die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die die Zivilspitäler kennzeichnenden Schutzzeichen den feindlichen Land-, Luft- und Seestreitkräften deutlich sichtbar zu machen, damit auf diese Weise die Möglichkeit jeder Angriffshandlung ausgeschlossen wird.
Quelle: http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19490188/index.html
Für Gewalt gegen Ärzte und Sanitäter unter Missachtung der Genfer Konventionen sieht der Internationale Strafgerichtshof eine bis zu lebenslängliche Freiheitsstrafe vor.
OLHA BOGOMOLETS, Koordinatorin des Maidan-Ärztedienstes:
Während kriegerischer Handlungen ist es weltweit üblich, dafür zu sorgen, dass die Ärzte nicht selbst unter Beschuss geraten, denn die Ärzte nähen in dieser Zeit die Wunden zu. Freiwillige, die nicht unbedingt eine Hochschulbildung und manchmal auch keine Schulbidung, sondern nur ein spezielles Training absolviert haben, sind es, die ihr Leben riskieren und im Kugelhagen die Verwundeten aus der Kampfzone herausholen.
Oleksi Tutow aus Kertsch (Krim) wurde der erste gefangengenommene Mediziner des Maidan. Unter Kugelhagel, Explosionen und Granaten riskierte der 26-jährige während der Zusammenstöße am 22 Januar sein Leben, holte Verwundeten aus der Kampfzone heraus und leistete erste Hilfe. Hier ist das exklusive Video von „Znak Oklyku“. Nach der morgendlichen Attacke ergriffen Berkut-Kräfte Oleksi Tutow und führen ihn in ihr Lager. Das T-Shirt mit dem roten Kreuz drauf beachtet niemand. Auf dem Weg wird er geschlagen. Dieses Video ist ein Beweis dafür, dass der junge Mann ein freiwilliger Mediziner der Sanitäter ist und kein Teilnehmer der Randalen.
OLEH MUSI, Koordinator des Euromaidan-Sanitätsdienstes:
In Wirklichkeit gibt es nicht nur Videos, sondern auch eine Reihe von Dokumenten, die bezeugen, dass er in der der Kleidung der Mediziner festgenommen wurde. Ich persönlich bezeuge hier vor den Kameras, dass er ein Freiwilliger des Ärzteteams des Sanitätsdienstes war, und dass er am 22. Januar arbeitete und sich als Freiwilliger des Saniättsdienstes am 22. Januar in der unmittelbarer Nähe der Barrikaden aufhielt.
Der Sanitätsdienst der Zentrale des nationalen Widerstandes verlangt die sofortige Freilassung von Oleksi Tutow und verurteilt die Verfolgung der Volontäre, die auf der Hruschewski-Straße Erste Hilfe leisten.
Heute behandelt das Berufungsgericht der Stadt Kiew die Klage des Freiwilligen Helfers des mobilen Sanitätsdienstes, entgegen der Normen des internationalen Rechts während der medizinischen Hilfeleistung bei den Barrikaden von den Berkut-Kräften festgenommen wurde.
Filmaufnahmen aus dem Gerichtssaal sind verboten. Das Gericht der ersten Instanz hat gegen Tutow ein Strafmaß von zwei Monaten Haft verhängt. Das Berufungsgericht hat ihn aus der Inhaftierung entlassen und einen Hausarrest verhängt.
NATALIA LISNEVSKA, Rechtsanwältin:
Er wurde unter Hausarrest entlassen und muss sich in der Stadt Kertsch aufhalten. Es ist ein Teilarrest: ab 19 Uhr bis in den Morgen muss er zu Hause sein, in der anderen Zeit kann er arbeiten.
„Znak Oklyku“ traf den gefangengnommenen Mediziner gemeinsam mit Freiwilligen vom Maidan vor den Mauern der Justizvollzugsanstallt des Lukjankowka-Bezirks.
OLEKSI TUTOW, Freiwilliger Helfer der mobilen Sanitätsdiensts:
Ich wurde in die Justisvollzuganstalt gebracht. Seit dem 24. Januar bin ich hier. Und heute wurde ich entlassen, habe frische Luft eingeatmet. Ich wurde freigelassen, stehe aber unter Hausarrest. Ich muss sobald wie möglich nach Kertsch zurück.
Oleksi erinnert sich, wie er in die Hände des Berkut geraten ist. Er sagt, die Sonderkommandos jagen die Mediziner absichtlich – nur ein Blinder könnte sein weißes T-Shirt mit dem roten Kreuz nicht sehen.
OLEKSI TUTOW, Freiwilliger der mobilen Sanitätsdiensts:
Der eine sagt: Fass ihn … Sie bringen uns in die Autobusse, reißen mir den T-Shirt ab. Und dann fangen sie an, mich zu schlagen wie einen alten Teppich. Mein Handy haben sie zerbrochen, und alles weggenommen, was man wegnehmen konnte.
Znak Oklyku:
Wusste der Berkut, dass Sie Mediziner sind?
OLEKSI TUTOW:
Natürlich. Ich hatte eine weißes T-Shirt an, “Medizinische Hilfe” steht drauf. Sie haben es mir einfach vom Leibe gerissen, mir blieb nur der weiße Kragen am Hals.
Oleksij Tutow erzählt: Die berüchtigte Kiewer Justizvollzuganstalt im Lukjanowka-Bezirk steckt voller Menschen vom Maidan, die dort wie Heringe in einer Dose untergebracht sind. Aber sie werden über die Zellen verteilt, damit sie nicht zusammen einsitzen.
Mit zahlreichen Prellungen und Verätzungen kehrt der junge Mann für zwei Monaten in seine Heimatstadt zurück. Danach erwartet ihn erneut das Gericht. Oleksi Tutow versucht weiter, den Leuten in der Robe zu beweisen, dass er ein freiwilliger Mediziner ist und kein an den Ausschreitungen teilnehmender Extremist ist. Interessant, ob unsere bilde und taube ukrainische Themis das auch erkennt.
Quelle: TVi
Übersetzt von Marina Bondas
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