Ich habe mich daran erinnert, wie ich im Sommer 2014 ein Büchlein über Rumänien von Malgoschata Reimer übersetzte (es soll demnächst erscheinen). In dem Buch gibt es eine Geschichte über den Rumänen Claudiu Crulic, den die polnische Strafverfolgung ungerechtfertigt des Diebstahls beschuldigte. Auch er blieb seinen Prinzipien treu und trat in Hungerstreik. Auch er hungerte sich zu Tode. Man hätte ihn retten können – aber niemand nahm sich dies besonders zu Herzen. Das System des demokratischen Polen sperrte im Jahr 2008 einen Mensch weg, sah 130 Tage lang ungerührt seiner Selbstvernichtung zu und zuckte danach verlegen mit den Schultern. Nun, lesen Sie diese Geschichte, wenn Sie möchten. Es ist eine grausame Geschichte von der Gleichgültigkeit des Systems und dem kleinen Mann in seinen Mühlen.
Und da lese ich unlängst von den „unumkehrbaren Prozessen“ im Organismus von Sawtschenko … Claudiu Crulic starb nach 130 Tagen des Hungerns. Sawtschenko wird in 10 Tagen die Hälfte dieser Frist erreicht haben. Und man mag nicht daran denken, dass man noch heute, noch morgen, selbst noch in 10 Tagen etwas ändern kann. Aber schon z. B. am 15. oder 20. Februar kann es zu spät sein. Fatal zu spät.
Auch Sawtschenko ist wegen der Gleichgültigkeit des Systems auf sich selbst gestellt. Doch die Geschichte von Nadiia Sawtschenko beobachtet heute die ganze Welt. Und kann nichts tun. Die genaueste Metapher für die Ukraine ist diese mutige und prinzipientreue Frau. Nadiia stirbt. Die Hoffnung ist noch nicht gestorben.
Quelle: Andrij Bondar auf Facebook
Aus dem Ukrainischen von: Tobias Ernst – Fachtexte vom Profi
Das ukrainehassende System der RF zeigt sich verantwortlich für den Zustand von Nadiia Sawtschenko, der Ostukraine und der Krim. Dieses System besteht aus Menschen, die durch ihr Tun und Unterlassen vielfachen Tod, Leid und Vernichtung angerichtet haben. Deshalb ist bereits jetzt schon feststellbar, wer seine Kompetenz nicht verwendet bzw. nicht verwenden will, um Nadiia Sawtschenkos Leben zu retten. Man sollte diesen Entscheidungsträgern verständlich nahe bringen, welche Last sie im Falle des Todes der heldenhaften ukrainischen Patriotin, für den Rest ihres Lebens tragen werden.