Charis Haska: Kommt besser nicht!
Quelle: https://www.facebook.com/charis.haska/posts/631914746875220
Nun sind unsere Budapest- Reisenden wieder da! Eine Gruppe von Maidan- Volontären unseres Lazaretts war für fünf Tage dorthin eingeladen gewesen. Ich frage einen: „Na, wie war Ihre Reise?“ Er strahlt: „Ich war im Paradies.“ Dann beginnt er zu erzählen.
Die Einladung war vom ungarischen Außenministerium ausgegangen. Von einem Mitarbeiter des Außenministeriums mit hervorragenden Russischkenntnissen wurden sie am Flughafen abgeholt und ins Ministerium zu einem Empfang gebracht. Dort durften sie viele Fragen stellen. Unterbringung und Verpflegung waren prima. „Ich war auch früher mal im Ausland. In den neunziger Jahren in Polen. Und ich hab gewusst, dass zu sowjetischen Zeiten Ungarn zu den ärmsten Ländern gehört hat. Bei unserem Aufenthalt dort habe ich ziemlich schnell begriffen, dass wir hie zwanzig Jahre auf der Stelle getreten sind. Und in mancherlei Hinsicht haben wir uns sogar zurück entwickelt.“ – „Hat Ihnen das nicht weh getan?“ frage ich. „Ich kann nicht behaupten, dass ich neidisch bin.“ sagt er. „Jedenfalls empfinde ich keinen bösartigen Neid. Nein, ich habe jetzt gesehen, was man erreichen kann. Wir haben auch einen Ausflug über Land unternommen. Ich hatte erwartet, dass es ist wie bei uns: Riesige Unterschiede zwischen Hauptstadt und Land in der Entwicklung. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dort sind die Unterschiede nicht so groß. Die Ungarn selber haben sich allerdings uns gegenüber seltsam verhalten. Sie haben uns so misstrauisch von der Seite angesehen. Ich konnte mir das zuerst gar nicht erklären. Dann aber wurde mir klar: Sie haben ja selber so große Probleme mit der Arbeitslosigkeit. Da müssen wir als russisch sprechende Nachbarn ihnen ja zwangsläufig als mögliche Konkurrenten vorkommen. – Übrigens, das hat mir auch total gut gefallen: Die Ungarn haben eine völlig andere Methode, mit Arbeitslosigkeit umzugehen. Bei uns wird ja für einen kurzen Zeitraum eine Arbeitslosenhilfe gezahlt. Aber dort werden die Arbeitslosen im Bereich der öffentlichen Ordnung eingesetzt. Sie arbeiten mit im Straßenbau und bepflanzen Blumenbeete. Sie können es sich gar nicht vorstellen, ganz Ungarn blüht, wie bei uns der Botanische Garten! Ja, einem Arbeitslosen kannst Du jeden Tag einen Fisch geben. Du kannst ihm aber stattdessen auch eine Angel geben und ihm das Fischen beibringen, so dass er sich selber ernähren kann und dem Staat nicht auf der Tasche liegt.“
Begeistert und auch nachdenklich erzählt er noch verschiedene Details der Reise. Zum Beispiel vom schrecklichsten Moment seines Lebens, nämlich als sie dort für einige Stunden in den Aquapark eingeladen wurden und er nichtsahnend die schwierigste Stufe der Riesenrutsche ausprobierte: „Ich dachte, ich als Mann sollte doch mal Mut zeigen. Doch so furchtbare Angst wie in diesem Rohr habe ich noch nie zuvor empfunden. Wie ich da gebetet habe, bis ich unten wieder heraus kam!“
Und am Sonntag sei er in einen protestantischen Gottesdienst gegangen. „Verstanden hab ich allerdings kein Wort. Wie ein Äffchen bin mit den Anderen aufgestanden und hab mich wieder mit hingesetzt. Und seltsamerweise wurde die Kirche nach dem Gottesdienst abgeschlossen…“
Unser Gespräch zeigt mir, wie wichtig es für viele Menschen hier ist, Anregungen zu sammeln in Ländern mit funktionierendem System. Und ich kann nur hoffen, dass sie bei solchen Reisen freundlich und verständnisvoll aufgenommen und nicht von vornherein als Eindringlinge abqualifiziert werden.
Ein anderer Freund überlegt noch, ob er am Wochenende wirklich zu seiner Mutter nach Lugansk fährt. Er möchte so gerne. „Aber von dort aus rufen mich meine Freunde an und raten mir alle davon ab. Die Straßen seien gesperrt. Und die Situation sei so unruhig und einfach nicht kalkulierbar. <Kommt besser nicht!> sagen sie.“
Ich würde zu meiner Mutter fahren!
Man sollte sich von diesen Politchaoten nicht beeindrucken lassen.
Und überhaupt, ist Luhansk ein Gefängnis?