RECHTLICHES VAKUUM: IM KRIM-FORMAT

RECHTLICHES VAKUUM: IM KRIM-FORMAT

Oleksandr Starish

Veronika Kuzil:

“Wissen Sie, wer auf der Krim sich über seinen Anschluss an Russland am meisten freut? Sie denken wohl an russsiche Patrioten? Nichts dergleichen – ukrainische Verbrecher und Schuldner. Auf der Krim ist eine Nuance zustande gekommen, die kaum Jemand kennt und über die man noch weniger spricht. Aber man bespricht sie sehr lebhaft im kleinen Kreis der Krim-Juristen, bei einer Tasse Tee. Tee trinkt man nun öfters, da es keine Arbeit gibt.

Was sollten sie auch tun, wenn das Rechtssystem auf der Krim schon die zweite Woche brach liegt – Gerichte arbeiten nicht mehr, es werden keine Urteile in den bestehenden Fällen gesprochen, in den zivil-, familien- und gesellschaftsrechtlichen Sachen wird nicht entschieden. Es gibt auch keine neuen Angeklagten – die Staatsanwaltschaft und Polizei leiten nur nur in einzelnen, besonders spektakulären Fällen ein neues Verfahren ein, und was weiter mit diesen Fällen zu tun ist, weiss niemand.

Niemand weiss, was mit den Personen passiert, über die schon ein Strafurteil gesprochen wurde. Notare können auch keine notarielle Dienste auf der Krim anbieten, und alle haben nun zugemacht – sie haben keinen Zugang zum staatlichen Verzeichnissen werden in der Ukraine noch in Russland, sie haben keine Lizenz für die notarielle Tätigkeit in der Russischer Föderation.

Das Problem besteht darin, dass die Krim offiziell in die Russische Föderation eingegliedert wurde, auf dessen Territorium russische Gesetze gelten. Ukrainisches Gesetz gilt auf russischem Territorium nicht und es stellt sich die Frage: “Nach dem Gesetz welches Landes soll man urteilen?”

Nach ukrainischer Gesetzgebung? Sie gilt auf russischem Territorium nicht. Nach Russischer Gesetzgebung? Die Richter auf der Krim wurden nicht vom russischen Präsidenten bestellt – das ist ein ukrainischer Richter und wurde durch den ukrainischen Präsidenten bestellt, und er hat keine Vollmacht die Gerichstbarkeit auf russischem Territorium auszuüben.

Ähnliche Fragen haben die Staatsanwälten: “Strafprozessordnung welches Landes soll man benutzen, wenn man nicht mehr in der Staatsanwaltschaft der Ukraine ist, aber auch noch nicht in der Staatsanwaltschaft Russlands?” Solche Fragen stellt sich die Polizei, aber auch Strafvollzugsbehörden – derzeit gibt es auf der Krim keinen einzigen Beamten, welcher im russischen Staatsapparat verbeamtet wurde.

Wenn sie aber nicht russische Beamten sind, wer sind sie dann auf dem russischen Territorium mit ihren ukrainischen Ausweisen?

Mit einer Gesamtliste alle Richter, Staatsanwälte und Notare ins System des russischen Staatsapparates wird nicht klappen – nach dem russischen Gesetz Bestellung zum Staatsdienst – das ist ein kompliziertes mehrstufiges Verfahren, das man nicht im Falle der Krim ändern will. Russland wird es kaum wollen, ohne zumindest einer Loyalitätsprüfung.

Dazu ist es nach geltendem russischen Recht unmöglich, weil alle Beamten auf der Krim ukrainische Bürger sind.

Obwohl alle Einwohner der Krim geschlossen russische Bürgerschaft bekommen, aber ukrainische Staatsbürgerschaft hat weiterhin Gültigkeit. Und Bürger der Russischen Föderation, welche noch eine andere Staatsbürgerschaft haben, können keine Staatsbeamte werden. Das stellt Punkt sieben des Paragraphen 16 des Föderalgesetzes “Über den zivilen Staatsdienst in der Russischen Föderation”, laut dessen der Staatsbürger der Russischen Föderation kann nicht in den Staatsdienst aufgenommen werden, wenn er auch eine Staatsbürgerschaft eines anderen Staates besitzt.

Aus der ukrainischen Staatsbürgerschaft “austreten” kann man nur in dem Fall, wenn eine entsprechende Anordnung des Präsidenten über die Beendigung der

Staatsbürgerschaft einer konkreten Person erlassen wird. Es versteht sich von selbst, dass solche Anordnungen derzeit nicht erlassen werden.

Man kann noch die Frage stellen, ob Juristen von der Krim die russischen Gesetze kennen. Wenn Jemand denkt, dass diese sich von den ukrainischen nicht unterschieden, der hat als Jurist weder in Ukraine noch in Russland gearbeitet.

Diese unterscheidet sich erheblich.

Natürlich, ein gescheiter ukrainischer Jurist eignet sich schnell im Umfeld von russischen Juristen die Unterschiede in den Rechtssystemen an. Aber das ist wenn er im russischen juristischen Umfeld ist und es gescheite Leute gibt, bei denen man etwas lernen kann. Aber wenn um Einen herum diejenigen sind, die auch nichts wissen und auch ukrainische juristische Diplome haben sowie nur ukrainisches Recht kennen, dann kann man das Wissen nirgendwo holen.

 

Sie sagen, mit der Zeit wird es gehen. Natürlich. Aber was soll man mit den Verdächtigen machen, deren Untersuchungshaft bald abläuft, aber den Fall kann man nicht zur Verhandlung geben.

Wie soll man den Fall verhandlen, denn es wurde angeklagt und untersucht nach der Strafprozessordnung der Ukraine, welche auf der Krim nicht mehr gilt? Und an welches Gericht soll man den Fall weitergeben, wenn es keine ukrainische Grieche auf der Krim gibt, und russische es noch nicht gibt? Deswegen, “um keinen Kopfweh zu haben”, schliesst man lieber die bestehenden Fälle und läßt die Verdächtigen frei.

Dasselbe erwartet die Insassen der Gefängnisse auf der Krim, die schon wegen Verbrechen verurteilt sind (auf der Krim gibt es fünf Gefängnisse: Justizvollzugsanstalt in Simferopol für mehrfach Vorbestrafte, JVZA in Kertsch für zum ersten Mal Vorbestrafte, noch 2Gefängnisse in Kertsch und ein Gefängnis in Simferopol).

alle, die dort einsitzen, sind nach ukrainischem Recht verurteilt, durch ukrainische Gerichte als ukrainische Bürger und für Straftaten in der Ukraine. Dort sitzen die Verurteilten nicht nur von der Krim ein, sondern vom Westen und Osten der Ukraine. Und wen Ukraine sie nicht verlegt (was auch ein Problem darstellt, weil andere Gefängnisse nicht für diese Anzahlt zusätzlicher Insassen ausgelegt sind), dann muss man sie entlassen.

Man wird doch nicht auf Kosten der russischen Steuerzahler die ausländischen Insassen unterhalten, welche ihre Straftaten auf dem Territorium eines fremden Landes begangen haben? Manche von denen müssen bis zu 10 Jahren einsitzen.

Natürlich kann man ignorieren, dass das keine Rechtsgrundlage hat und verurteilen, Gefängnisse weiter betreiben ohne Gesetz, aber wer braucht so etwas, wenn frühere Chefs in Kiew sind und zukünftige Keiner gesehen hat? Nur wenn das Jemand für Geld “bestellt”.

Bis vor Kurzem hat es auf der Krim eher schlecht als recht, aber funktionierendes Rechtssystem, und jetzt gibt es keins. Ukrainische Richter, Notare u.a. auf der Krim gibt es nicht, und russische gibt es noch nicht, und sich scheiden lassen, Immobilie zu verkaufen, eine Erbschaft annehmen oder Darlehen eintreiben – das ist auf der Halbinsel zur Zeit unmöglich.

 

Und jetzt versteh ich es, warum Polizei nicht kam, als die Alarmanlage im Haus meiner Eltern losging – sie wussten einfach nicht, was man mit den Dieben machen soll

P.S. Wenn einer von den Krim-Bewohner denkt, dass man jetzt die Bankkredite vergessen kann, die sollen nicht träumen.

Ukrainische Banken lassen das Darlehen ins Unermessliche steigen, und treten die schuld dann einem halbkriminellen russischen Eintreiber-Verein ab – ihr werdet den

Leben lang damit nicht fertig. Denn Krim-Kumpel brauchen kein Gericht, sie kommen die Schulden mit Schlagstöcken abholen”.

 

Quelle: https://www.facebook.com/groups/crimeasos/permalink/1476542995890852/?stream_ref=3

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