Charis Haska: Flüchtlinge aus Lugansk

Charis Haska: Flüchtlinge aus Lugansk

Original: https://www.facebook.com/charis.haska/posts/647132835353411?fref=nf

Ein herrlicher Morgen. Freundlich erwidert der Dwornik, der unseren Hof fegt, meinen Gruß. Am Zebrastreifen beobachte ich einen Knaben, vielleicht acht Jahre alt, in Schuluniform, die Schultasche auf dem Rücken. Anderthalb Meter vor dem Zebrastreifen bleibt er stehen und sieht dem Verkehr zu. Ich zerre an der Leine meines eigensinnigen Hundes, der schon wieder irgendwelche von Krähen aus dem Müll geangelte Knochen knuspert. Aber so schnell lässt sich der Hund nicht von der Notwendigkeit des Weitergehens überzeugen. Der Junge steht still und der Strom der Autos lässt nicht ab. Schließlich ist mein Hund bereit und ich betrete den Übergang. Jetzt erst setzt sich das Kind in Bewegung, folgt mir und geht dann auf der anderen Straßenseite in die entgegengesetzte Richtung weiter. Es war ihm wohl sicherer erschienen, sich an einen Erwachsenen anzuschließen, denn an dieser Stelle kommt es öfters vor, dass die elementaren Verkehrsregeln nicht beachtet werden.

Unterwegs entdecke ich in einem Abfallkorb zwei dicke, aber schon welke Kränze aus Löwenzahn. Blumenkränze, oft aus künstlichen Blumen in leuchtenden Farben gehören hier zur festlichen Trachtenkleidung von Frauen, wie bei uns das Dreiecktuch zum Dirndl. Der eine der beiden Kränze ist an dem Drahtkorb so malerisch aufgehängt, dass ich es bedauere, keinen Fotoapparat mit mir zu führen.

An der Kirche werde ich schon erwartet. Mir wird eine Bitte um Fürbitte angetragen, die mir durch und durch geht. Gestern abend kam in der Kirche eine Aktivistin des Lugansker Maidan an. Vor den Ereignissen war sie in der Stadt eine erfolgreiche Geschäftsfrau gewesen. Ihr Office hat man ihr geschlossen. „Was jetzt dort an Repressionen gegen uns vor sich geht, ist so schrecklich, dass wir im Grunde genommen nur noch fliehen können.“ erzählte sie. Die Menschen dort seien gelähmt vor Angst. Sie zeigte Fotos, auf denen zu sehen ist, wie eine Gruppe von Separatisten einen jungen Mann mit Hilfe eines Hundehalsbandes und einer Leine herum führen. Während sie umhergehen und saufen, zwingen sie ihn, auf allen Vieren mit zu kommen und zu bellen. Während ich zuhöre, entstehen vor meinem eigenen Auge Bilder, als ob der junge Mann einer meiner Söhne oder mein lieber Mann wäre. Ich möchte schreien vor Schmerz, Empörung und Abscheu. Ich möchte dazwischen springen und diese Unmenschen mit Fäusten bearbeiten.

Bitte betet darum, dass diesen KZ- ähnlichen Maßnahmen wirksam Einhalt geboten wird!

Bitte betet um Zivilcourage für die Bevölkerung, betet um Schutz für die Bedrohten! Betet darum, dass das Gewissen der Untäter erwacht.

Bitte betet auch für die durch die neuen Ereignisse Verwundeten, zum Beispiel für eine Gruppe von 18 Verletzten, die nach Dnjepropetrowsk gebracht wurden.

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