Tymchuk: Siemens und die Krim-Turbinen

11.07.2017

Tränen der Rührung und des Mitleids machen das Reden schwer, liest man die Erklärungen des von den hinterlistigen Russen kaltblütig betrogenen Siemens-Managements. Turbinen für ein Heizkraftwerk in Taman habe man bestellt und unerschütterlich daran geglaubt. Und jetzt das …

Die Information Resistance Group verfolgt diese Geschichte schon seit 2014, als aus den Reihen der Besatzer erstmals zu hören war, dass sie vor hätten, Heizkraftwerke in Simferopol und Sewastopol zu bauen. Zur selben Zeit entstand in Moskau angeblich der Plan, ein “Heizkraftwerk in Taman” zu bauen. (Dabei war zu Anfang die Rede von 600 Megawatt Leistung, die später auf 450 Megawatt abgesenkt wurden.)

Der Legende nach schloss zu diesem Zweck im Jahr 2015 eine Tochter des staatlichen Unternehmens „Rostech“, die OAO „Technopromexport“ einen Vertrag mit Siemens über die Lieferung von vier Dampf-Gas-Turbinen mit je 165 Megawatt Leistung (zusammen 660 Megawatt).

Schon damals kommentierten die russischen (!) Medien höchstselbst, dass die Notwendigkeit für die Besatzer, Kraftwerke auf der Krim zu bauen, absolut offensichtlich, ein vermeintliches „Kraftwerk in Taman“ eine völlig virtuelle Sache sei. Und dass es nicht klar sei, wozu gleich vier Turbinen mit offenkundig viel zu viel Leistung für ein solches virtuelles Kraftwerk gekauft würden.

Wedomosti vom 30.06.2015

Wedomosti am 30.06.15: «Siemens liefert Turbinen für Kraftwerke auf der Krim»

Seit Anfang 2015 wurde in Russland offen darüber gesprochen, dass das „Kraftwerk in Taman“ eine Tarnung für den Bau von Kraftwerken auf der Krim ist. Am 30. Juni 2015 (das heißt vor zwei ganzen Jahren!) textete das renommierte Wirtschaftsblatt „Wedomosti“ schwarz auf weiß in einer Überschrift: „Siemens liefert Turbinen für Kraftwerke auf der Krim – Technopromexport kauft Turbinen unter Umgehung der Sanktionen bei russischem Siemens Joint Venture“  Selbstverständlich wiesen die Deutschen eine solche Perspektive aufs heftigste von sich.

Im Laufe der Jahre 2015 und 2016 habe ich bei Treffen mit deutschen Diplomaten und Politikern (und die würden mir eine Lüge nicht durchgehen lassen) persönlich und nicht nur einmal darüber gesprochen, dass diese Geschichte mit den Generatoren stinkt und übel enden wird. Doch Siemens war offensichtlich fest entschlossen, den Gestank zu ignorieren.

Im Sommer 2016 machte das Energieministerium der Russischen Föderation Anstalten, den Bau eines „Heizkraftwerks in Taman“ „auszuschreiben“. Die Ausschreibung verlief jedoch im Sande, weil kein einziges Gebot abgegeben wurde. Wundersam, nicht wahr? Eine erneute Ausschreibung wird nun schon ein Jahr lang immer wieder verschoben.
Will heißen, die vier bei Siemens gekauften Generatoren hingen schon vor einem Jahr in der Luft.

Wedomosti vom 21.09.2016

Wedomosti am 21.09.16: «Technopromexport wird kein Kraftwerk in Taman bauen»

Im September 2016 erklärte „Technopromexport”, dass es kein „Heizkraftwerk in Taman“ bauen und alle vier Generatoren verkaufen werde (!).

Das hielt Siemens nicht davon ab, im März 2017 mit Unschuldsmine zu beteuern, dass man Technopromexport vier Generatoren „für Taman“ geliefert habe. Dieselben, die Technopromexport gerade verkaufen wollte, weil die Firma keine Pläne für irgendwelche Bauten in Taman hatte.

Reuters

16.03.2017: «Siemens: an Technopromexport gelieferte Turbinen sind für Taman»

Das heißt, bereits vor einem Jahr war es selbst für die Navisten zu übersehen, dass die ganze Geschichte mit dem Kauf von Turbinen „für Taman“ nichts weiter war als ein Deckmantel zur Verschleierung einer Umgehung der Sanktionen.
Jetzt sagt Siemens, die Firma sei betrogen worden. Interessant, glauben die wirklich, dass wir an diesen Blödsinn glauben?

„Es ist so leicht, mich zu betrügen –
Ich selbst betrüge mich so gern!“

Diese Zeilen Puschkins könnten die Strategie des deutschen Konzerns nicht besser beschreiben.

In diesem Zusammenhang möchte ich an noch eine Geschichte erinnern. Im Jahr 2016 gab die EU auf Druck der deutschen Wirtschaft hin – und unter Bruch der eigenen Regeln – die Erlaubnis zu einer Ausweitung der Nutzung der OPAL-Pipeline durch Gasprom.

Die jetzige Situation ist somit keine Ausnahme, sondern allem Anschein nach die Regel. Wenn es um große Summen geh, handeltt das europäische Business nach dem Prinzip „Natürlich darf man das nicht, aber wenn man sehr will, dann geht es doch.“

Bei Siemens hofft man offensichtlich, dass man ihnen die Geschichte mit den Turbinen durchgehen lässt. Ob das so sein wird hängt in erster Linie von der Ukraine ab, insbesondere davon, welchen Standpunkt und welche Reaktion das Parlament den europäischen Partnern gegenüber äußern wird.

Quelle: Dmytro Tymchuk auf Facebook, 11.07.2017

Übersetzt vom Voices of Ukraine Team

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Dmytro Tymchuk ist Parlamentsabgeordneter in der ukrainischen Werchowna Rada, Militärexperte und Blogger, Reserveoffizier der Ukrainischen Streitkräfte, Direktor des Instituts für Militärisch-Politische-Untersuchungen und einer der Koordinatoren des Blogs „Information Resistance“.

 

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